Wie weit ist es gekommen, dass mir eine Mentale Akademie in die Mailbox schreit: BREAKING NEWS: Mein neues Buch!? Als gäbe es aktuell nicht Wichtigeres als das in Selfpublishing schnell zusammengeschusterte Blattwerk eines Mentalisten?
Wobei der mentale Erfolg offenbar darin besteht, fremden Menschen Geld für ein Buch zu überweisen, das wahrscheinlich dieselbe intellektuelle Tiefe besitzt wie ein Wirtschaftsreport in der Zeitung mit den 4 großen Buchstaben.
Und dann diese medizinischen Wunderheilungen!
Innerhalb von 28 Tagen – warum eigentlich immer exakt 28 Tage? – können wir anscheinend jedes erdenkliche Körperteil reparieren lassen. Das Hörvermögen wird wiederhergestellt (gleich dreimal in 20-Minuten-Mail-Taktung, falls man die erste Heilung überhört hat), die Gelenke werden generalüberholt. Und natürlich fehlt auch die Prostatarettung nicht.
Die digitale Volksmedizin des 21. Jahrhunderts kommt offenbar ohne schnöde wissenschaftliche Methoden aus. Braucht man auch nicht, wenn man 70% Rabatt auf japanische Magnetfeldtherapie anbieten kann.
Das Ganze gipfelt im meisterhaften „%user_name% reze-ptfrei einkaufen“
Hier hat sich jemand nicht mal mehr die Mühe gemacht, die Platzhalter aus dem Massenversand zu ersetzen. Vermutlich aus demselben Grund, aus dem auch Phishing-Mails voller Rechtschreibfehler sind: Wer schon hier nicht stutzt, wird auch später nicht zweifeln.
Was fehlt eigentlich noch in dieser digitalen Jahrmarktparade?
Richtig: Die Sexy Russin, die ich nicht kennenlernen wollte, die den nigerianischen Prinzen heiratet, dem ich nicht helfen wollte.
Es ist die dialektische Spannung zwischen der verzweifelten Hoffnung dieser Mail-Versender und der schieren Offensichtlichkeit ihrer Täuschungsversuche, die beinahe schon wieder rührend wirkt. Fast wie ein Kind, das mit Schokolade um den Mund behauptet, nichts genascht zu haben.
Die wirklich beängstigende Frage ist jedoch:
Wenn das die Mails sind, die es durch den Filter geschafft haben: Was zum Teufel lauert dann im Spam-Ordner?